Rückblick Fachtagung: Forschen in der Schweiz - Möglichkeiten und Schwierigkeiten
Sonniger Forschungsplatz
Wenig Jammern auf hohem Niveau
Bürokratisierung, harter Boden für Gentechnologie, Lücken in der Förderung – trotz Schwächen steht der Forschungsplatz, wie er an einer Tagung dargestellt worden ist, relativ sehr gut da.
www.nzz.ch, Christoph Wehrli, Bern
In der Wissenschaftspolitik wird gerne geklagt über knappe Mittel, eine skeptische Bevölkerung und die unterschätzte Konkurrenz aus aufsteigenden Staaten. An einer Tagung des auf Biologie und Medizin konzentrierten Vereins «Forschung für Leben» hat trotz vielen kritischen Hinweisen ein anderes Bild des Forschungsstandorts dominiert. Es mag nicht repräsentativ sein, zeigt aber wohl auch, dass in den letzten Jahren einiges für gute Rahmenbedingungen und angemessene Förderinstrumente getan worden ist.
Bürokratische Lasten
Der öffentlichen Finanzierung wurde Stabilität attestiert. Die Hochschulautonomie und die hauptsächlich auf die Prioritäten der Forschenden reagierende Unterstützung scheinen sich zu bewähren. – Der Nationalfonds, die wichtigste Geldquelle, lehnt jedes zweite Projektgesuch ab. Eine «extrem glückliche Situation» nannte dies Annette Oxenius (ETH Zürich); bei vergleichbaren Institutionen in den USA und Grossbritannien liege die Erfolgsquote unter 10 Prozent. Michael Hengartner, Präsident des Vereins und künftiger Rektor der Universität Zürich, warnte vor einer schleichenden Bürokratisierung. Ausgeprägt, teilweise abschreckend, ist diese indessen besonders bei der EU, wo sich Forschungsgruppen aus der Schweiz dennoch insgesamt sehr erfolgreich um Beiträge bewerben.
Vom Präsidenten der Gesellschaft für Versuchstierkunde war vielleicht Kritik an engen Vorschriften zu erwarten. Marcel Gyger (ETH Lausanne) erwähnte den Aufwand für die nötigen Bewilligungen durchaus. Doch verschwieg er nicht, dass bei Tierversuchen auch wissenschaftliche Hausaufgaben bestehen, was die Reproduzierbarkeit und die statistischen Methoden betrifft.
Die grösste Ausnahme von der Regel ist wohl die Forschung über genetisch veränderte Organismen. Die Schweiz habe das strengste Gesetz der Welt, sagte Beat Keller (Universität Zürich). Es gehe zu Unrecht davon aus, dass Forschung stets zu einer kommerziellen Anwendung führe. Die biologische Sicherheit und das Zulassungsverfahren verursachten ein Drittel der Kosten von Feldversuchen. Was die zu berücksichtigende «Würde der Kreatur» bei Pflanzen heisse, sei rechtlich noch unsicher. Junge Wissenschafter folgten heute der Industrie, die namentlich in die USA abgewandert sei.
Lücken beim Transfer
In mancher Hinsicht ist die Offenheit für die wirtschaftliche Nutzung von Forschungsresultaten gewachsen. So fördern die Hochschulen den Technologietransfer. Auf dem Weg zu neuen Unternehmen gibt es allerdings zwischen Forschungsförderung und Bankkrediten immer noch Finanzierungslücken. Seitens der forschenden Industrie wies Thomas Cueni (Interpharma) auf die abnehmende, relativ kleine Zahl klinischer Studien hin. Auch dabei spielen die Bewilligungsverfahren eine Rolle.
In einem Blick auf das Ganze bezeugte der Präsident der Rektorenkonferenz, Antonio Loprieno, Unbehagen über die «gespaltene Wahrnehmung» privater Mittel und über die seit Beginn der Bologna-Reform geschwundene Aufmerksamkeit für die Bildung. Doch auch er sprach im internationalen Vergleich von ausgezeichneten Rahmenbedingungen. Das System leiste im Verhältnis zum demografischen Potenzial des Landes fast zu viel. Der umfangreiche «Import» von Wissenschaftern – oft als Zeichen der Stärke qualifiziert – sei keine nachhaltige Methode.
Galerie | Impressionen
Die Referenten haben freundlicherweise die pdfs ihrer Präsentationen frei gegeben.
Horizon 2020 – Peter Erni, Director Euresearch (pdf, 4.6 MB)
Spin-offs - Geld für alle? – Matthias Hölling, Technology Manager, Spin-offs (pdf, 2.7 MB)
Technologietransfer Theorie und Praxis – Dr. Herbert Reutimann, Unitectra (pdf, 1.3 MB)