Gentechmoratorium

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Änderung des Gentechnikgesetzes zur Verlängerung des GVO-Moratoriums in der Landwirtschaft: Stellungnahme von «Forschung für Leben»

Zürich, 13. Februar 2009

«Forschung für Leben» ist ein parteipolitisch und konfessionell unabhängiger Verein im Sinne von Art. 60 ff. ZGB. Zweck des Vereins ist die Information der Bevölkerung über die Ziele, Aufgaben, Ergebnisse und Bedeutung u. a. der biomedizinischen und genetischen Forschung, der grünen Gentechnologie und der Landwirtschaft im Allgemeinen. Unsere Mitglieder sind Forschende der Schweizer Hochschulen, Lehrerinnen und Lehrer von Kantonsschulen und Gymnasien sowie interessierte Laien. Der «Forschung für Leben» engagiert sich seit bald 20 Jahren für den Forschungs- und Wissensstandort Schweiz.

Gerne nimmt «Forschung für Leben» die Einladung an, zum erläuternden Bericht des BAFU zur Verlängerung des GVO-Moratoriums Stellung zu nehmen.

1.
Wir haben nach der Moratoriumsabstimmung von 2005 die rasche Reaktion des Bundesrates sehr begrüsst, für die Beantwortung von offenen Fragen ein Forschungsprogramm (NFP 59) zu initiieren.

Die Forschergemeinde hat jedoch schon mehrfach zu Bedenken gegeben, dass es weltweit bereits eine sehr grosse Zahl von Untersuchungen zur Risikobewertung von GVO-Pflanzen, zum Risikomanagement sowie zur Koexistenzfrage gibt. Deren Ergebnisse haben auch für die Schweizer Verhältnisse Gültigkeit. Das NFP 59 wird zwar für die Schweiz und auch international wertvolle Beiträge zur Biosicherheit, Koexistenz, Rechtsetzung und Kommunikation liefern, doch liegt es im Wesen der Forschung, dass immer neue Fragen auftauchen und nie alle Fragen beantwortet sein werden.

Deshalb sind die Erwartungen des Bundesrates, «dass für den allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf die notwendigen wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen in Form von Schlussergebnissen vorliegen», überzogen. Wir weisen ausserdem ausdrücklich darauf hin, dass sich allein aus diesen Schweizer Forschungsprojekten nicht ableiten lassen wird, für welche strategische Ausrichtung der Landwirtschaft sich die Schweizer Politik entscheiden soll. Dazu müsste sie bereit sein, den Blickwinkel auf die globale Forschung und deren Resultate zu erweitern.

Der «politische Druck», den der Bundesart mit der Verlängerung des GVO-Moratoriums reduzieren möchte, besteht also einzig und allein darin, dass die Schweizer Politik für ihren Entscheid zu GVO in der Landwirtschaft internationale Forschungsergebnisse bislang negierte und dafür allein die Ergebnisse aus NFP 59 zugrunde legen will. Die Forschenden werden damit von der Politik in eine Verantwortung gedrängt, die sie so nicht wahrnehmen können. Mit einer Verlängerung des Moratoriums nimmt dieser Druck nicht ab, sondern zu.

2.
Mit dem Moratorium wollten die Initianten in erster Linie der schweizerischen Landwirtschaft eine Profilierung und Positionierung als Erzeugerin von Produkten ohne GVO ermöglichen (Kap. 1.3.2 des erläuternden Berichts), und das BAFU geht davon aus, dass sich das Moratorium wie auch dessen Verlängerung positiv auf die Nachfrage nach schweizerischen Landwirtschaftsprodukten bei Konsumentinnen und Konsumenten des In- und Auslandes auswirkt, die herkömmlich produzierte Lebensmittel bevorzugen» (Kap. 3.1).

Mit diesen Aussagen im beleuchtenden Bericht des BAFU wird die Einschätzung von «Forschung für Leben» bestätigt, dass es sich beim Moratorium in erster Linie um eine wirtschaftspolitisch begründete Massnahme handelt. Es wird versucht, die einheimische, durch die zunehmende Öffnung des Schweizer Marktes vermehrt unter Druck geratende Landwirtschaft als traditionellen und damit vermeintlich ökologisch unbedenklicheren Produzenten zu positionieren.

«Forschung für Leben» könnte für diese Strategie Verständnis aufbringen, wünschte sich aber, dass sie als solche deklariert würde und nicht in dieser unglücklichen Art und Weise mit der GVO-Forschung verknüpft wird (NFP 59), mit der sie gar nichts zu tun hat. Der Verbieter müsste, damit er die WTO-Regeln nicht verletzte, wissenschaftlich argumentieren, um ein Anbauverbot durchzusetzen. Da seit mehr als 12 Jahren auf inzwischen rund 120 Mio. Hektaren Land erfolgreich GVO angebaut werden – d.h., ohne dass eine Beeinträchtigung von Gesundheit oder Umwelt festgestellt werden konnte, welche sich auf diese Anbaumethode zurückführen liess – ist eine solche wissenschaftlich begründete Argumentationskette nicht in Sicht.

3.
Der Bundesrat ist der Ansicht, «dass weder in der Landwirtschaft noch bei den Konsumentinnen noch Konsumenten ein dringender Bedarf nach GVO im Lebensmittelbereich besteht».

Nach Auffassung von «Forschung für Leben» steht nicht der «dringende Bedarf» im Vordergrund, sondern die Wahlfreiheit von Produzierenden und Konsumierenden. Im Rahmen des nationalen Forschungsprogramms (NFP 59) hat die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon u.a. die Einstellung von Landwirten gegenüber transgenen Kulturen untersucht. Überraschenderweise zeigte sich, dass die Meinung der Landwirte differenziert ist. Ein Drittel der 61 im Kanton Zürich befragten Landwirte ist grundsätzlich positiv gegenüber dem Anbau von GVO eingestellt. Sie würden „sicher“ oder „wahrscheinlich“ gentechnisch verbesserte Pflanzen anbauen, wenn diese zugelassen wären. Die Zustimmung zu einer Technologie, zu der in der Schweiz noch keine Erfahrungen gesammelt werden konnte, kann somit als recht hoch bezeichnet werden.

Auch die Einstellungen der Konsumentinnen und Konsumenten sind nicht a priori so negativ, wie viele Umfragen nahe legen. Ein im Rahmen von NFP 59 durchgeführte Studie von Dr. Philip Aerni, ETH Zürich, zeigt, dass rund 20% der Konsumentinnen und Konsumenten bereit sind, als solche deklarierte, gentechnisch veränderte Nahrungsmittel zu kaufen, wenn Preis und Qualität stimmen. Von einer Ablehnung der Konsumentinnen und Konsumenten kann damit nicht die Rede sein.

4.
Der Bundesrat schürt mit seiner Absicht, das Moratorium zu verlängern, unbegründete Ängste in der Bevölkerung, zementiert romantische Vorstellungen von einer per se guten und perfekt geordneten Natur, in die der Mensch kein Recht habe, einzugreifen.

Abgesehen davon, dass sich die Menschen seit der Erfindung der Landwirtschaft sehr wohI in die Evolution eingemischt haben, indem sie Pflanzen und Tiere züchteten, halten wir im Hinblick auf die weltweite Verknappung an Landwirtschaftsfläche und der Pro-Kopf-Erträge, der damit einhergehenden Verknappung der Nahrungsmittelbe-stände und der steigenden Nahrungsmittelpreise alle Negativ-Signale gegen GVO für verantwortungslos. Als Beispiel verweisen wir auf die diversen Kampagnen von Swissaid, welche mit zum Teil unwahren Argumenten versuchen, GVO in Misskredit zu bringen, und möglicherweise so in manchen Entwicklungsregionen der Erde sinnvolle, die Nahrungsmittelsicherheit verbessernde Massnahmen torpedieren.

5.
Leider stellt «Forschung für Leben» fest, dass der Bundesrat die an den Schweizer Hochschulen festzustellende abnehmende Zahl von jungen Schweizer Forschenden in der Pflanzenbiotechnologie nicht zur Kenntnis nehmen will. Trotzdem machen wir nochmals deutlich, dass wir die aktuelle Entwicklung mit Sorge beobachten.

Mit seiner Feststellung, dass seit Beginn des Moratoriums gegenüber den drei vorangehenden Jahren die Zahl der pro Jahr eingegangenen Meldungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen leicht höher liege, kann der Bundesrat unsere Befürchtungen nicht widerlegen. Zum einen hängt diese «leicht erhöhte Zahl» der Meldungen direkt mit dem Forschungsprogramm 59 zusammen, zum andern sagt sie nichts aus über die am Thema interessierten Schweizer Forschenden.

6.
Unter anderem sorgen sich die Moratoriumsbefürworter um die biologische Vielfalt in unserem Land. Die Sorge ist berechtigt. «Forschung für Leben» kann dabei aber keinen Zusammenhang zu GVO erkennen. Die Abnahme der Artenvielfalt hat eingesetzt, lange bevor gentechnisch verbesserte Pflanzen angebaut wurden. Auch in der Schweiz ist die Abnahme der Diversität beängstigend – dies obwohl der Anbau von GVO verboten ist.

Umgekehrt bestehen berechtigte Hoffnungen, dass dank gentechnisch verbesserten Sorten die Diversität wieder erhöht werden könnte. Verloren gegangene Resistenzen gegen Krankheiten könnten wieder ins Erbgut von bestimmten Kulturpflanzen eingebaut werden, Toleranzen gegen Versalzung, Trockenheit oder Vernässung könnten in nützlicher Frist einen wesentlichen Beitrag zur Nahrungssicherheit leisten. Es könnten Herbizide, Pestizide und Dünger eingespart werden, was die Umwelt und die Erdölressourcen schonen würde.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Verlängerung des Moratoriums wird zu keinen fundamental neuen Erkenntnisse führen. So oder so wird die Politik entscheiden müssen, ob in der Schweiz GVO zugelassen werden sollen. Auch die Forschungsergebnisse aus NFP 59 werden ihr diesen Entscheid nicht abnehmen können. Vorläufig kann das Moratorium ohne wirtschaftliche Einbussen fortgeführt werden. Für die Pflanzenbiotechnologie und den damit verbundenen berechtigten Hoffnungen auf mehr Nahrungsmittelsicherheit erachten wir jedoch die Signalwirkung der Verlängerung des Moratoriums als Misstrauen fördernd. Dies stellt für den Forschungsstandort Schweiz eine Besorgnis erregende Entwicklung dar.

 

Medienmitteilung: Verlängerung des Gentechmoratoriums ist schädlich für Forschung

Zürich, 12. Februar 2009

«Forschung für Leben» warnt vor einer Verlängerung des Gentechmoratoriums. Zum einen leidet die Schweizer Forschung darunter, zum andern verstärkt dieser Entscheid das wissenschaftlich nicht gestützte Misstrauen gegenüber gentechnisch verbesserten Pflanzen. Eine Verlängerung des Gentechmoratoriums trägt wesentlich dazu bei, dass Beiträge zur Verbesserung der weltweiten Nahrungsmittelversorgung und zu einer ökologische wie ökonomisch nachhaltigen Landwirtschaft behindert werden.

Es ist bereits jetzt Tatsache, dass Schweizer Studierende für die Pflanzenbiotechnologie in der Schweiz keine Perspektiven sehen. Dagegen expandiert in Europa und weltweit der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der Landwirtschaft. Rasche Klimaveränderungen und der zunehmende Einsatz von Pflanzen für alternative Anwendungen (z.B. Biokraftstoffe) erfordert die Entwicklung neuer Pflanzensorten für eine nachhaltige Landwirtschaft und für die Verbesserung der Nahrungsmittelversorgung, auch unter Einbezug der Gentechnologie. Doch wer möchte sein Wissen in eine Forschung stecken, die er dann nicht anwenden darf?

Ohne die Ausbildung von einheimischen Studierenden in der grünen Gentechnologie und Pflanzenbiotechnologie – beides weltweit expandierende Disziplinen – gehen der Schweiz wichtiges Wissen und Erfahrung verloren. Langfristig wird sich der Verlust an Wissen und Forschungskapazitäten für die Schweiz und ihre Landwirtschaft negativ auswirken.

Für die Entscheidungsfindung der Politik, ob sie gentechnisch verbesserte Pflanzen in der Schweizer Landwirtschaft zulassen will, sind schon heute die wissenschaftliche Grundlagen gegeben. Leider wird nicht zur Kenntnis genommen, dass gentechnisch veränderte Pflanzen zu den best untersuchten Organismen überhaupt gehören. Bis heute gibt es keine seriösen Publikationen, die zeigen, dass von diesen Pflanzen eine Gefahr für Umwelt, Nahrung und Menschen ausginge. Deshalb erachtet «Forschung für Leben» die Erwartungen des Bundesrates als überzogen, wonach er sich für den allfälligen gesetzgeberischen Handlungsbedarf auf die wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen aus dem nationalen Forschungsprogramm (NFP 59) abstützten will. Die Schweizer Forscher können zwar viele wertvolle Beiträge zu noch offenen Fragen liefern, doch werden sie auch nach Abschluss von NFP 59 die letztlich politische Frage nicht beantworten können, welche strategische Richtung die Landwirtschaft einschlagen soll. Insofern bedauert «Forschung für Leben», dass auf dem Buckel der Forschung mit pseudowissenschaftlichen Argumenten ein ideologischer und politischer Kampf geführt wird.